Feuilleton
Schumann Forum 2010
Fünf Stücke im Volkston op. 102
von Wolf-Dieter Seiffert
Geschäftsführer G. Henle Verlag
01. September
Wussten Sie, liebe Leserinnen und Leser, dass Robert Schumann als junger Mann auch Cellounterricht genoss? Und doch spielt dieses Lieblingsstreichinstrument der Romantik keine herausgehobene Rolle in Schumanns frühem Œuvre, sieht man einmal von den wundervollen Stellen in den langsamen Sätzen der ersten und vierten Symphonie und vom Klavierkonzert ab. Erst relativ spät wandte er sich dem Cello intensiv zu.
Heute soll es um die fünf kleinen Geschwister des Cellokonzerts von Schumann gehen, die 1849 entstandenen „Fünf Stücke im Volkston“ für Violoncello oder Violine und Klavier, op. 102. Sie gehören zu Recht zum unverrückbaren Standardrepertoire der Cellisten, aber auch Geiger sollen hier und heute neugierig auf diese großartigen Stücke gemacht werden, denn die Fassung für Violine, die zum Teil (auch im Klavierpart) vom Cellopart abweicht, ist höchst wahrscheinlich authentisch. Nicht jedoch die übrigen Fassungen, die man gelegentlich hört, wie zum Beispiel die (berückend schöne) Fassung für Oboe und Klavier.
Der G. Henle Verlag hat nun pünktlich zum „Schumann-Jahr“ beide originalen Fassungen im Urtext veröffentlicht. Ein Klick auf die hier abgebildeten Cover führt in die Datenbank des Verlags und hält tiefer gehende Informationen zu den Ausgaben für Sie bereit:
David Geringas und Wolf-Dieter Seiffert
Als besonderes Highlight der heutigen Ausgabe des „Schumann-Forums 2010“ präsentiere ich Ihnen ein Interview, das ich mit einem der bedeutendsten Cellisten unserer Zeit über die „Fünf Stücke im Volkston“ geführt habe.
Für Geringas liegt der Schlüssel zu diesen Stücken im Titel. Wer sich nämlich zu den Stücken keine Geschichten einfallen lässt und sie den Zuhörern gewissermaßen wie ein Volksmärchen erzählt, der langweilt, und aus dieser unglaublichen Kunst wird trockene, langweilige Musik. Der „Volkston“ liegt nicht etwa in zur Schau gestellter Virtuosität, sondern im besonders lebendigen Erzählen einer intensiv vorgestellten Geschichte.
Geringas stellt sich zum Beispiel für das erste Stück, überschrieben mit „Vanitas vanitatum“ („Alles ist eitel“, d.h. alles Irdische ist vergänglich), jemanden in sich selbst Verliebten vor, über den alle anderen lachen; die darzustellende Situation dieses Individuums hat etwas Komisches und Tragisches zugleich. Und prompt wird aus dem allgemeinen Sinnspruch des Predigers Salomon, eine konkrete Erzählung, die man als Cellist (oder Geiger) zusammen mit dem Pianisten greifbar und sprechend vortragen kann.
David Geringas hat zu der Henle-Urtextausgabe der „Fünf Stücke im Volkston“ den Fingersatz und die Bogenstrich-Einteilung beigetragen. (Die Einrichtung der Violinausgabe besorgte Ernst Schliephake.) Für Geringas – man höre sich das Interview (unten) an – muss der gedruckte Fingersatz eine optimale Synthese darstellen aus Studium des Urtextes, Konzert- und Unterrichtspraxis. Auch Cellisten mit nicht riesig großen Händen müssen den Text Schumanns musikalisch stimmig umsetzen können. (Wer übrigens eine eigene Einrichtung der Solostimme vornehmen mag, der wird bei Henle optimal bedient, denn er erhält, wie bei Henle in den Streicherausgaben überwiegend üblich, beide Stimmen: mit und ohne Fingersatzeinrichtung).
Über alles das und noch mehr spricht David Geringas in folgendem Interview (auf Deutsch). Besonders den Streichern unter meinen Lesern empfehle ich dringend, auf Folgendes zu klicken:
In YouTube finden Sie die wundervolle Einspielung des nicht weniger berühmten Lehrers von David Geringas, nämlich von Mstislav Rostropovich (mit Benjamin Britten am Klavier!). Viel Vergnügen beim Anhören des hier wiedergegebenen dritten Stücks „Nicht schnell, mit viel Ton zu spielen“
In der folgenden Ausgabe am 15. September geht es wieder um das Klavier. Lars Vogt hat Schumanns Fantasie op. 17 zusammen mit Liszts h-moll-Sonate eingespielt. Die CD erscheint in wenigen Wochen. Grund genug für das „Schumann-Forum 2010“ ihn zum Gespräch zu bitten.