Eine neue Schatzkammer der Musik

Henriëtte Bosmans im Jahr 1917,
Foto: Jacob Merkelbach

Die Musik von Komponistinnen ist aus den Konzertsälen nicht mehr wegzudenken. Eine Selbstverständlichkeit ist das nach wie vor nicht, denn die Beharrungskräfte in der klassischen Musik sind nicht zu unterschätzen. Manche glauben ja daran, dass die Musikgeschichte hinsichtlich dessen, was weltweit die Konzertprogramme dominiert, in wundersamem Automatismus eine rein qualitative Auswahl getroffen habe, frei von Vorurteilen. Bach, Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert, Schumann, Brahms, das waren nun mal die besten, und wenn es keine Frau geschafft hat, ähnlich große Kunst hervorzubringen, ist das nicht zu ändern. Demgegenüber bricht sich nun endlich eine andere Erkenntnis Bahn: Wenn Musik von Komponistinnen bislang oft unterhalb der sogenannten Wahrnehmungsschwelle lag, sagt das erstmal nichts über die Musik aus, umso mehr jedoch über die (oft männlichen) Konstrukteure dieser sogenannten Wahrnehmungsschwelle. Weiterlesen

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An der Spitze des Virtuosentums

Charles Valentin Alkan um 1865 (Fotografie unbekannten Ursprungs, Bibliothèque nationale de France, Paris)

„Alkan? Viele Noten!“ – Das bekommt man zu hören, wenn man berichtet, man habe für Henle die Symphonie für Klavier des französischen Komponisten Charles Valentin Alkan (1813–1888) ediert: HN 1657. Und in „viele Noten“, gepaart mit gekonnter französischer Aussprache von „Alkan“, erschöpft sich dann auch das Alkan-Wissen vieler musikalischer Fachleute, mich bis vor einiger Zeit eingeschlossen. Das ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, wie sehr Alkan die Öffentlichkeit mied, deckt sich aber in keiner Weise mit der zunehmenden Bedeutung (dokumentiert in einer anwachsenden Zahl von Einspielungen), die seiner Musik von jenen beigemessen wird, die sich mit dem Klaviervirtuosentum des 19. Jahrhunderts befassen oder gar in der Lage sind, die Werke zu spielen. Keine Frage, man braucht dafür pianistisch meisterliche Hände. Drei sind ideal. Der große Pianist Marc-André Hamelin zum Beispiel gehört zu jenen wunderbaren Alkan-Interpreten, die drei Hände haben. Weiterlesen

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Sommerpause

Der Sommer hat begonnen, und unser Blog verabschiedet sich bis September in eine kurze Pause. Was aber macht unser diesjähriger großer Jubilar Maurice Ravel? Weiterlesen

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Zwischen Distanz und Bewunderung – Satie und Ravel

Während die klassische Musikwelt in diesem Jahr fraglos im Zeichen von Maurice Ravels 150. Geburtstag steht, sollte ein weiterer Gedenktag eines französischen Komponisten nicht ganz vergessen werden: Erik Saties 100. Todestag am 1. Juli 2025. Und was liegt näher, als sich die Beziehung der beiden etwas genauer anzuschauen? Denn obwohl musikalisch ein absoluter Außenseiter seiner Zeit, hatte Satie vielfältige Kontakte zu bedeutenden Musikern und Komponisten im Paris des Fin-de-siècle und der Belle Époque, nicht nur zu Ravel, sondern auch etwa zu Claude Debussy, Albert Roussel, Igor Strawinsky oder Ricardo Viñes.

links: Erik Satie (1866–1925), rechts: Maurice Ravel (1875–1937)

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Rostropowitsch und Atowmjan – die zwei Geburtshelfer von Prokofjews Cellosonate op. 119

Mstislav Rostropowitsch gilt als einer der größten Cellisten des 20. Jahrhunderts. Seine Kunst hat zahlreiche Komponisten rund um den Globus zu Werken für das Cello inspiriert – so auch Prokofjew zu seiner Cellosonate op. 119. Umso überraschender war es für mich bei der Vorbereitung unserer neuen Urtext-Ausgabe dieser Sonate, dass neben Rostropowitsch noch ein weiterer Musiker eine ganz wesentliche Rolle bei der Entstehung und Verbreitung dieses Werkes spielte – wenn auch auf ganz andere Weise: Lewon Atowmjan, der auch Widmungsträger der Sonate ist. Grund genug, sich diesen Mann im Hintergrund einmal genauer anzuschauen! Weiterlesen

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Eine kleine Sensation: Chopins neu entdeckter Walzer a-moll. Interview mit Jeffrey Kallberg

Im Frühjahr 2024 wurde in der Morgan Library & Museum ein neues Werk von Frédéric Chopin entdeckt, das allerdings erst im Herbst mit aller Welt geteilt wurde – für die Musikwelt durchaus eine kleine Sensation! In einer einzigartigen Zusammenarbeit mit der Morgan Library und deren Kurator Robinson McClellan, dem Chopin-Experten Jeffrey Kallberg und dem weltbekannten Pianisten Lang Lang (der den Walzer akustisch aus der Taufe hob) ist dieser Walzer a-moll inzwischen erstmals im Urtext erschienen, und zwar im G. Henle Verlag, inklusive Faksimile des Autographs. Jeffrey Kallberg war von Anfang an in die aufregende Entdeckungsgeschichte eingebunden, mit ihm habe ich das folgende Interview geführt. Weiterlesen

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Debussy und Ravel – Aspekte einer schwierigen Beziehung

Das Ravel-Jahr steht bei Henle unter der Devise „Ravel and Friends“, und fraglos gehört Claude Debussy zu den bedeutendsten Komponisten, zu denen Maurice Ravel persönliche Kontakte unterhielt. Aber es war kein ungetrübtes Verhältnis, und wir haben den französischen Musikwissenschaftler Denis Herlin, einen der besten Debussy-Kenner weltweit, zu einigen Gesichtspunkten dieser interessanten, aber zugleich auch komplexen Beziehung befragt.

links: Claude Debussy, rechts: Maurice Ravel

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Schuberts „Ständchen“ auf dem Weg durch Europa

Jubiläen großer Komponisten werfen lange Schatten voraus. Das gilt nicht nur für die Tonträgerindustrie, wenn sich manche Ensembles über Jahrzehnte bemühen, um zu einem Haydn- oder Bach-Jubiläum die gesamten Sinfonien oder Kantaten perfekt auf Tonträger zu bannen, sondern auch für Musikverlage. So ist es kein Zufall, dass wir zum jüngst in diesem Blog gewürdigten Ravel-Jahr 2025 unseren Katalog des französischen Jubilars weitgehend vervollständigt haben oder pünktlich 2020 zu Beethovens 250. Geburtstag sämtliche seiner Sinfonien im Henle-Urtext vorlagen. Aber das geht nicht von jetzt auf gleich. Und so beschäftigt uns auch das erst langsam am Horizont aufscheinende Schubert-Jahr 2028 durchaus schon länger. Weiterlesen

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„Das Werk ist letztlich recht umfangreich geworden“ – zu Sergej Prokofjews 2. Violinsonate op. 94a

Im letzten Jahr hat der Henle-Katalog mit Sergej Prokofjew einen hochwillkommenen Zuwachs erfahren, und die Zahl unserer Ausgaben seiner Werke wächst seither kontinuierlich (siehe hier). Die jüngste Neuerscheinung wird sicher die Herzen aller Geigerinnen und Geiger höher schlagen lassen: Die 2. Violinsonate D-dur op. 94a, fester Bestandteil des Violinrepertoires, liegt nun erstmals in einer verlässlichen Urtext-Ausgabe vor (HN 1624).
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„Von Natur aus künstlich“ – Maurice Ravel zum 150. Geburtstag

Maurice Ravel (1875–1937)

Wie das vergangene Jahr wird auch 2025 reich an Komponisten-Gedenktagen sein. Der Bogen reicht von Giovanni Pierluigi da Palestrina (500. Geburtstag) über Georges Bizet (150. Todestag) oder Erik Satie (100. Todestag) bis zu Pierre Boulez (100. Geburtstag), um nur einige der Jubilare zu nennen. Im Mittelpunkt wird aber zweifellos der runde Geburtstag von Maurice Ravel stehen, der am 7. März 1875 in Ciboure im französischen Teil des Baskenlandes als Sohn einer spanisch-baskischen Mutter und eines Schweizer Ingenieurs mit französischen Wurzeln zur Welt kam. Bereits drei Monate später zog die Familie nach Paris. Ravel verlor aber zeitlebens nicht die Bindung ans Baskenland, wo er in Saint-Jean-de-Luz, einem Nachbarort von Ciboure, häufig die Sommermonate verbrachte. Weiterlesen

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