d oder e – das ist die Frage … wenn Pianisten sich an Beethovens „Für Elise“ setzen

Um Beethovens berühmtes Klavierstück „Für Elise“ ranken sich viele Fragen – zum Beispiel die nach der bis heute nicht einwandfrei geklärten Identität der im Titel genannten Dame, die möglicherweise sogar Therese statt Elise hieß … Die Pianisten treibt aber vor allem eines um: Warum ist in verschiedenen Ausgaben des Stückes in Takt 7 und analogen Stellen mal der Grundton , mal jedoch – wie in unserer aktuellen Urtext-Edition (HN 128) – die Septe als drittletzte Note zu finden – und welches ist der richtige Ton?

Das Problem ist – wie so oft – ein Widerspruch in den Quellen: Der Ton geht auf einen heute im Beethoven-Haus Bonn aufbewahrten Entwurf Beethovens zu diesem Stück zurück:

Der Ton hingegen findet sich in dem lange nach Beethovens Tod veröffentlichten Erstdruck des Stückes durch den Beethovenforscher Ludwig Nohl. Dieser hatte das Autograph der bislang unbekannten Komposition entdeckt und sie 1867 als Klavierstück „Für Elise“ veröffentlicht.

Kurz darauf verschwand Beethovens Handschrift jedoch wieder und ist bis heute verschollen – so dass Nohls Edition der einzige Zeuge dieses Autographs ist. Und wir stehen damit vor der schwierigen Frage: Glauben wir Nohl, dass Beethoven an dieser Stelle in seinem Autograph systematisch die Septe durch den Grundton ersetzt hat? Oder vermuten wir ein Versehen Nohls ­– und edieren den Text so, wie er in Beethovens Entwurf überliefert ist, also mit ? Wir haben uns für letzteres entschieden – und sind weiterhin gespannt, ob das Autograph einmal auftaucht, um uns die entscheidende Antwort zu geben.

Dieser Beitrag wurde unter Autograph, Beethoven, Ludwig van, Erstausgabe, Klavier solo, Klavierstück WoO 59 - Für Elise (Beethoven), Montagsbeitrag, Skizze abgelegt und mit , verschlagwortet. Setzen Sie ein Lesezeichen auf den Permalink.

4 Antworten auf »Beethoven, Für Elise WoO 59 – Treffen Sie den richtigen Ton?«

  1. Es stellt sich doch grundsätzlich die Frage nach der Glaubwürdigkeit der Nohlschen “Edition”. Ein Beethoven-Autograph, das so einfach, nachdem es ediert ist, in den Tiefen der Österreichischen Nationbibliothek verschwindet? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Immerhin war Nohl nicht nur Beethoven-Forscher, sondern auch Komponist. Wäre nicht auch ein musikalischer “Scherz” denkbar? Eine Nohlsche Komposition auf der Grundlage Beethovenscher Skizzen? – Man wird ja mal fragen dürfen …

  2. Kirmeier Konrad sagt:

    Sehr wertvolle Hinweise für mich, da ich nun schon zwanzig Jahre an diesem Stück übe.
    Vielleicht ist das d nun der Lohn für meine Mühen?
    Bisher spielte ich immer e und konnte das Tempo nicht halten. Mit dem d funktioniert es jetzt.
    Danke!
    Danke Beethoven im Geist!
    Soli deo Gloria!

  3. Ist das nicht eher ein c als ein d?

    • Lieber Herr Drechsel, ja, man könnte die sehr tief notierte und scheinbar mit der Andeutung eines Querstrichs versehene Note in der Tat auch als c1 deuten. Allerdings ist bei so flüchtiger Schrift die Höhenposition oft ungenau, und die Hilfslinien des c1 im Takt zuvor oder des E auf Zählzeit 1 im selben Takt sind viel stärker und länger. Das wichtigste Argument gegen die Deutung als c1 ist jedoch die Harmonik (E-dur als Dominantseptakkord zur Grundtonart a-moll), in der ein c1 an dieser Stelle nicht passend wäre – wohingegen Grundton oder Septe sehr gut möglich sind.
      Mit freundlichen Grüßen,

      Annette Oppermann

Schreibe einen Kommentar zu Drechsel, Oliver Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert