Achtung: Dieser Beitrag endet mit einer Preisfrage. Herzliche Einladung zur Teilnahme!

Die Notenausgabe eines Klaviertrios besteht bekanntlich prinzipiell aus einer Klavierpartitur mit zwei eingelegten Solostimmen (Violine und Cello). Nur der Pianist spielt aus der Partitur, bestehend aus groß gestochener Klavierakkolade und darüber platzierten, kleiner gedruckten Streicherstimmen, zuoberst die Violinstimme, darunter der Cellopart. Das ist soweit keine Neuigkeit. Was aber viele Musiker nicht wissen: Diese spezifische Partiturform der heutigen Klaviertrio-Musikalien ist eine Erfindung (und Normierung) des 19. Jahrhunderts. Die originale Überlieferung bis in die Beethoven-Zeit kennt weder die Klavierpartitur, noch gab es eine einheitliche Notationsweise der Komponisten.

Die „klassischen“ Komponisten Haydn, Mozart und Beethoven notierten ihre Klaviertrios in jeweils völlig voneinander abweichenden Partituranordnungen. Die Normierung des modernen Druckes unterdrückt dieses für das Verständnis der Musik nicht unbedeutende grafische Phänomen. Die Reihenfolge nämlich, in der diese Begründer einer der wichtigsten modernen Musikgattungen die Instrumente anordneten, lässt unmittelbare Rückschlüsse auf deren Kompositions- und Klangverständnis zu:

HAYDN, der Begründer der Gattung, notierte die Klavierakkolade in seiner frühen und mittleren Schaffenszeit zuoberst, darunter die Violine und dann das Cello:

Haydn: Klaviertrio G-dur Hob. XV:5 (1784), Beginn des Finales

MOZART notierte die Klavierakkolade in der Mitte, die Violine darüber, das Cello darunter; so auch der ältere Haydn (und Schubert, siehe unten):

Mozart: Klaviertrio E-dur KV 542 (1788), Beginn des Kopfsatzes

BEETHOVEN notierte „modern“, also in der Reihenfolge Violine, Cello, Klavier:

Beethoven, Klaviertrio Es-dur op. 70 Nr. 2 (1808), Beginn des Kopfsatzes

Schubert notierte seine göttlichen Klaviertrios mal wie Mozart, mal wie Beethoven. Im späteren 19. Jahrhundert wird dann Beethovens Schreibweise – vermutlich dank der kursierenden Druckausgaben – zur Norm.

Anhand dieser drei völlig unterschiedlichen autographen Partituranordnungen kann man meines Erachtens unschwer die musikalische Entwicklung dieser neuen Gattung aus ihren Anfängen bis hin zur Maßstab setzenden Ausformung bei Beethoven erkennen: Aus einem mehr oder weniger autarken Klaviersatz, der von den beiden Streichern dienend begleitet wird (Haydn), über eine Emanzipation der Streicher, vor allem der Violinstimme als zunehmend wichtigem Dialogpartner des Klaviers (Mozart) bis hin zu der Gleichberechtigung aller drei Musiker (Beethoven).

Ich sage nun nicht, dass wir in künftigen Urtextausgaben zu diesen originalen Partituranordnungen zurückkehren sollten, denn die heutige Anordnung hat über weit mehr als 150 Jahre ihre Zweckmäßigkeit und Praxistauglichkeit erwiesen. Dennoch: solch ein kurzer Blick in die Originale öffnet Augen und Verständnis.

Auch das Spielen des Pianisten aus der Partitur entspricht durchaus nicht der frühen Drucküberlieferung von Klaviertrios. Bis immerhin etwa um 1830 hatte auch der Pianist nur seine Stimme. Hier zufällig ausgewählte, leicht zugängliche Beispiele:

Haydn

Mozart

Beethoven

Nun würde ich zu gerne genauer wissen, ab wann sich das Blatt wendete, also ab wann genau eine Klaviertrio-Druckausgabe mit Partitur und eingelegten Stimmen üblich wurde. Mir drängt sich der Verdacht auf, dass es kurz nach Beethovens und Schuberts Tod gewesen sein muss, vermutlich im Zusammenhang mit dem Aufkommen der zahlreichen Musiker-Gesamtausgaben-Versuche seit den 1830er-Jahren. Nur ein Beispiel dazu: Beethovens letztes Klaviertrio, das „Erzherzog-Trio“ op. 97 erschien zuerst bei Steiner, 1816, natürlich als Stimmendruck. Ein recht früher Nachdruck durch den Frankfurter Verlag Franz Philipp Dunst von 1831 zeigt jedoch bereits die neuartige Partiturform. Diese Art der Darstellung scheint auf die Musiker jener Zeit eine so große Überzeugungskraft ausgeübt zu haben, dass sie sich sehr schnell als verbindliche Norm durchsetzte. Felix Mendelssohns Klaviertrio op. 49 beispielsweise, erschienen 1840 bei Breitkopf & Härtel, zeigt jedenfalls die bis heute übliche Form als Klavierpartitur mit eingelegten Streicherstimmen. Hier noch rasch eine wirklich hörens- und sehenswerte Mendelssohn-Live-Aufnahme mit Lang Lang, Andreas Röhn und Sebastian Klinger.

Meine oben angekündigte Preisfrage lautet also:

Seit wann genau existieren Klaviertrio-Ausgaben in der heutigen, normierten Form? Wer kennt den frühesten „modernen“ Klaviertrio-Partiturdruck (mit Stimmen)? Ihre Antwort muss bis zum Jahresende eingegangen sein. Der Finder des frühesten Drucks erhält vom G. Henle Verlag eine Klaviertrio-Ausgabe freier Wahl aus unserem reichen Urtext-Fundus.

Vielen Dank fürs und viel Spaß beim Mitmachen, verehrte Damen und Herren Experten.

 

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