Krieg, Energieknappheit, Inflation – leider rissen die schlechten Nachrichten im zu Ende gehenden Jahr nicht ab. Immerhin aber ließ die Corona-Pandemie in weiten Teilen der Welt nach und erlaubte überwiegend wieder das gewohnte Musikleben mit Konzerten und Aufführungen von Bühnenwerken. Wollen wir hoffen, dass im nächsten Jahr die letzten Einschränkungen dazu fallen werden und die Pandemie überall zur Endemie, mit der wir wohl oder übel werden leben müssen, zurückgestuft wird.

Apropos Nachrichten: hier eine wichtige für unsere Leserschaft: Ab 2023 ändert sich die Erscheinungsweise des Henle-Blogs. Zukünftig werden neue Beiträge jeden zweiten Montag im Monat veröffentlicht, demnach der erste im neuen Jahr am 9. Januar 2023.

Charles Gounod (1818–1893)

An Weihnachten gedenkt die christliche Welt der Geburt Christi, und dieser geht die Verkündigung an die Gottesmutter Maria voraus. Den Verkündigungstext, das berühmte „Ave Maria“, haben zahlreiche Komponisten vertont. Am bekanntesten ist fraglos diejenige von Charles Gounod, die streng genommen eine Mischung aus Bearbeitung und Neukomposition ist. Denn Gounod nahm das C-Dur-Präludium aus Bachs erstem Teil des Wohltemperierten Klaviers – um 1850 in Frankreich sicherlich Bachs bekanntestes Werk – und fügte eine neue Melodie hinzu, deren opernhafter Charakter nicht von der Hand zu weisen ist.

So populär das Gounod’sche „Ave Maria“ ist, so wenig weiß man über seine Entstehung. Zeitzeugen wollten sich später erinnern, dass die Melodie aus einer Improvisation entstanden sei und die ursprüngliche Komposition für Klavier und Violine sich rasch zu einer Motette mit Chor erweitert habe. Fakt ist, dass Gounod 1853 zunächst rein instrumentale Versionen unter dem Titel Méditation sur le 1er Prélude de J. S. Bach herausbrachte, darunter auch eine für Klavier solo (HN 1301). Erst sechs Jahre später, wahrscheinlich auf Drängen der Sängerin Caroline Miolan-Carvalho, kam es zur Textunterlegung des „Ave Maria“. Nach der glanzvollen Premiere 1859 erschien das Ave Maria. Mélodie religieuse adaptée au 1er Prélude de J. S. Bach rasch im Druck – neben der originalen Orchesterversion auch in einer von Gounod selbst eingerichteten Fassung für Singstimme und Klavier (HN 1012) – und trat danach seinen bis heute andauernden Siegeszug an.

Titelblatt der Erstausgabe für Singstimme und Klavier von 1859 (Paris, Bibliothèque nationale de France)

Immer wieder nahmen und nehmen auch berühmte Sängerinnen und Sänger die Herausforderung an, die Melodie mit Gefühl, aber ohne Sentimentalität, mit natürlichem Ausdruck, aber ohne Pathos vorzutragen – hier ein Beispiel mit Renée Fleming:

Wir wünschen unseren Leserinnen und Lesern frohe Feiertage und ein gutes neues Jahr!

Ihr Autorenteam des Henle-Blogs
Norbert Gertsch
Peter Jost
Norbert Müllemann
Annette Oppermann
Dominik Rahmer
Wolf-Dieter Seiffert

Dieser Beitrag wurde unter Bach, Johann Sebastian, Fassungen, Gounod, Charles, Klavier + Gesang, Montagsbeitrag abgelegt und mit , , , verschlagwortet. Setzen Sie ein Lesezeichen auf den Permalink.

Eine Antwort auf »Weihnachts-Blog«

  1. Harald Schollmeyer sagt:

    Allen Henle-Mitarbeitern ein gutes und erfolgreiches Jahr 2023. Ich schließe mich der Hoffnung auf eine Normalisierung und Neubelebung der Kulturszene an.

    Zum Thema Notensatz: das ist ein so entscheidend positives Kriterium für Henle-Ausgaben, dass die Seite https://www.henle.de/de/der-verlag/notenstich-notensatz/ etwas kurz, knapp und wenig aktuell ausfällt. Ich würde mich freuen, dort – oder besser: hier im Blog – Aktuelleres zum Thema zu lesen. Beispielsweise: welche Systeme werden verwendet (und warum), was für Leute treffen in welcher Reihenfolge welche Entscheidungen, kann man den “Henle-Look” eines Notensatzes in Worte fassen? Danke im Voraus.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert